AATONAU, art magazine in Osaka, features me and my recent work in an interview . © November 2023

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„Klarheit und Vision“

Die Künstlerin Angelica Jerzewski ist gleich zweifach begabt. Sie verfügt über eine außergewöhnliche auditive und visuelle Wahrnehmung. Die ausgebildete Cellistin entdeckte Anfang der neunziger Jahre die Fotografie als künstlerisches Medium. Sie spezialisierte sich auf die Naturfotografie. Einfachheit und Komplexität, Zerbrechlichkeit und Anmut, sind Themen ihrer Werke. Jerzewski setzt Pflanzen glamourös in Szene und spielt mit Goldschimmer, Nahaufnahmen und Kontrasten. In der Serie „Zauber des Vergänglichen“ macht die Künstlerin mittels Gegenlicht die organischen Strukturen der Scheinblütenblätter einer Hortensie sichtbar. Der Betrachter erkennt die klaren Umrisse und die feinen Verästelungen der Pflanze, doch ist ihm gleichzeitig bewusst, dass diese Betrachtungsweise außerhalb des Kunstwerkes nicht möglich ist. Der spezielle Blick braucht den Eingriff der Fotografin. Die Ansicht des Makrobereichs eines Blattes vor schwarzem Hintergrund erzeugt Ungläubigkeit und Verblüffung. Wie eine Vision erscheinen dem Betrachter die feinen Blattadern, da sie in einer solchen Präzision nicht Teil seiner Lebenswirklichkeit sind. Die Fotokünstlerin zeigt uns die Kostbarkeit der Natur, indem sie uns ihre Faszination für eben diese über die Fotografie vermittelt.

Sarah Leinweber, Kunsthistorikerin – „Im Blickwinkel“ in FAUST-KULTUR © Februar 2019



Angelica Jerzewski habe ich zunächst gar nicht als Fotografin, sondern als Musikerin kennengelernt. Heute ist sie ganz in ihrer Rolle als bildende Künstlerin da, die Musikerin hat sozusagen frei – aber sie hätte hier auch ganz wunderbar Cello spielen können. Und es ist wohl so: Wer sich einmal für die Kunst öffnet – egal ob für Malerei, Fotografie, Musik oder Literatur – der kann sich auch gegenüber den anderen Künsten nicht verschließen. Ich war jedenfalls sofort wie gebannt, als ich zum ersten Mal Fotografien von Angelica Jerzewski gesehen habe. Makroaufnahmen von Pflanzenstrukturen, das feinste Adergeflecht von Blättern und Blüten im Gegenlicht, von einer Klarheit und Strahlkraft, dass man vergisst, dass es sich hier um das Kleinste handelt, um einfache Blätter, auf die man sonst beiläufig tritt oder die der Wind vor sich her treibt. Wir sehen stattdessen das Größte: die vollkommene Schönheit der Natur, ruhig und zeitlos, vor altmeisterliches Schwarz gesetzt wie einstmals die Porträts von Königen. Vielleicht ist es das, was mich so unmittelbar angesprochen hat: Diese Erhabenheit der Motive zuzulassen, heißt, sich selbst nicht wichtiger zu nehmen als die Natur. Sondern sich als ein Instrument zur Verfügung zu stellen, damit die Schönheit der Natur sich durch das eigene künstlerische Wirken hindurch in den Bildern entfalten kann. Das ist eine Haltung, die ich sehr hoch achte. Und Instrument zu sein, etwas zum Klingen zu bringen – das sind Dinge, mit denen sich Angelica Jerzewski von Haus aus sehr gut auskennt. In ihren Arbeiten kommen Musikalität und Visualität zusammen, eine beglückende, bereichernde Mischung. Ich freue mich sehr, dass Angelica Jerzewski heute in ihrer Rolle als Fotografin hier ist. 

Dr. Katja Pourshirazi, Museumsleiterin Overbeck-Museum  – 

Auszug aus der Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Die Schönheit im Kleinen“ am 22. Juli 2018 ©Juli 2018

Die Fotokünstlerin Angelica Jerzewski durchleuchtet in ihren außergewöhnlichen Bildern die zarte Struktur der Pflanzen und macht damit ihre ätherische Schönheit sichtbar. Dabei geht sie in den Makrobereich und arbeitet mit dem Gestaltungsmittel der Gegenlichtaufnahme. Unausgeleuchtete Bildpartien bleiben im Dunkel, während das Motiv mit Licht angereichert wird. Vor dem schwarzen Hintergrund erhalten die Oberflächenstrukturen große Strahlkraft. Die fragilen Netzstrukturen wirken, als würden sie von innen heraus leuchten. Die Künstlerin präsentiert im Rahmen ihrer Serie „Zauber des Vergänglichen“ die Scheinblütenblätter der Hortensie, die ihr wunderschönes Blattgerippe zeigen. Jerzewski versetzt sie in Bewegung und erweckt sie dabei zum Leben indem sie die Blütenblätter dreht und wendet, während sie sie von vielen Seiten ablichtet. So zeigen sie sich in ihren unterschiedlichen organischen Formationen, die jeweils einen ganz eigenen Charakter haben. Je nachdem, ob die Fotografin die Details des Vorder- oder Hintergrundes fokussiert, entstehen vor unseren erstaunten Augen wunderschöne, zarte Gebilde, die abstrakten Kunstwerken in Nichts nachstehen. Die freigelegten Lebensadern der Pflanze, die sich in faszinierenden, zerbrechlichen Netzstrukturen zeigen, schimmern in goldenem Licht, während die Hauptadern in kräftigem Rotbraun erscheinen. So führt uns die Künstlerin Leben und Vergänglichkeit in ihrer ganzen Schönheit vor Augen. Die kleinen, unbeachteten Dinge groß zu sehen, sie in ihrer Entfaltung und Wirkkraft zu spüren, ist dabei ein besonderes Geschenk an den Betrachter. Mit ihren großartigen und poetischen Bildern vermittelt Jerzewski einen Eindruck von der inneren Architektur des Lebens.

Dr. Ingrid Gardill, Kunsthistorikerin – Internationale Kunst Heute 2017 © April 2017






Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“ Goethe, Faust II (1832)


Wer Angelica Jerzewski und ihre Arbeiten kennt, wird ihr die beiden ersten Zeilen des Türmer-Liedes aus dem Faust sogleich zuordnen können: die Kunstphotographin ist in der Tat zum Sehen geboren, ihre Werkschau bestätigt das auf imponierende Weise. So konnte ich der verlockenden Versuchung einfach nicht widerstehen, auch das nachfolgende Zitat über die Kunst des Leonardo da Vinci auf die Bremer Künstlerin zu projizieren – das Einverständnis des Weimarer Geheimrats selbstverständlich voraussetzend. Lediglich das Genus der Pronomina und die Zeitform des Textes sind vom Leser zu modifizieren – und schon definiert sich durch diesen Text aus dem Jahre 1818 eine deutliche Einsicht in das, was Angelica Jerzewskis künstlerisches Credo ausmacht: »Wie ihm, bey angeborner Kunstfertigkeit, die Natur nachzuahmen leicht war, so bemerkte sein Tiefsinn gar bald, daß hinter der äußern Erscheinung, deren Nachbildung ihm so glücklich gelang, noch manches Geheimniß verborgen liege, nach dessen Erkenntniß er sich unermüdet bestreben sollte; er suchte daher die Gesetze des organischen Baus, den Grund der Proportion, bemühte sich um die Regeln der Perspective, der Zusammenstellung, Haltung und Färbung seiner Gegenstände im gegebenen Raum, genug, alle Kunsterfordernisse suchte er mit Einsicht zu durchdringen.«2Es ist sicherlich kein Zufall, dass Angelica Jerzewski ihre Kunstwerke mit poetisch anmutenden Überschriften charakterisiert, damit aber nie eine festgelegte Interpretation beim Betrachter erzwingen will. Das Kunstwerk soll – wie ein Gedicht – für sich selbst sprechen. Die individuelle Vielschichtigkeit des Bildes evoziert beim Betrachter spontane und spannende Möglichkeiten für eigene Interpretationen. Ist die Poesie hier nur eine gehorsame Dienerin? Man würde der literarisch ambitionierten Kunstphotographin Unrecht tun, wenn ihr poetischer Blick auf das Objekt ihrer Begierde als Mittel zum feuilletonistischen Zweck abqualifiziert würde. Ihre Kunst hat hingegen sehr viel mit der Definition von Poesie zu tun, zumal das Wort Poesie, aus dem Griechischen ποίησις (poiesis) stammend, ursprünglich Erschaffung bedeutet. Dieser Gedanke von Kreativität ist eng mit der Materie Poesie verbunden… Was die Natur tief im Verborgnen schafft, entschleiert und entsiegelt in diesem übertragenen Sinne auch Angelica Jerzewski mit ihrer Kunst. Den Geheimnissen der Natur ist sie unablässig auf der Spur. Aber nicht, um sie auszuspionieren und damit ungeschützt preiszugeben, auf gar keinen Fall! Immer bewahrt ein jedes ihrer Werke die ihr innewohnende, besondere Form, Struktur und Eigenart. Der Betrachter kann an einem aufregenden Enträtselungs-Prozess teilnehmen, wenn er sich auf die Photographin als sensible Begleiterin einlässt. Mit poetischem Blick führt uns sie uns, manchmal auch über verschlungene Pfade, in das Reich ihrer Poesie des Verborgenen… 

Michael Leinert, Dramaturg, USA  – Auszug aus dem Essay „Mit poetischem Blick“ © März 2016





„Fragilitas“ (lat. „Zerbrechlichkeit“, auch: „Vergänglichkeit“) aus Angelica Jerzewskis Serie „Zauber des Vergänglichen“, ein wunderbar gewählter Titel für die Makroaufnahme dieses zarten, brüchigen Blattes. Wir fühlen uns entführt in die Poesie, die behutsam und verschlüsselt, einen möglichen Hinweis auf eine Deutung geben könnte. Wir sind jedoch frei in der Interpretation dessen, was wir sehen….Technisch makellos präsentiert sich vor unseren Augen ein filigranes Blattwerk, dass durch die Technik der Makrofotografie uns Blickwelten eröffnet, die uns sonst nie so präzise und prägnant bewusst werden. Angelica Jerzewski berücksichtig bei der Darstellung die wichtigen Regeln der Makrofotografie: Nähe, Ausschnitt und Augenhöhe. Durch die Augenhöhe entsteht ein ganz besonderer Blickwinkel auf das Blatt und die darin verborgenen Geheimnisse…Die Art der Darstellung und Ausleuchtung unterstützt hervorragend die Farbwahl der Natur. Die Diagonale des Stängels erzeugt Dynamik, die leuchtenden Spitzlichter in den Verästelungen betonen die Farbnuancen des Blattes, die Blattränder krümmen sich rechts leicht zur Bildmitte und verleihen dem Foto damit sogar Perspektive, zumindest Dimensionalität. Der schwarze Hintergrund betont die pflanzliche Architektur. Im Hinblick auf Komposition, Tonalität und Farben schafft Angelica Jerzewski ein optimal gelungenes Naturfoto… 

Angelica Jerzewskis Sujets sind durch die Makrotechnik bewusst aus dem Kontext gelöst und in gekonnten Ausschnitten sachlich wiedergegeben. Der Blick des Betrachters wird so ausschließlich auf Oberfläche, Struktur und Form des abgebildeten Objekts gelenkt. Die Bilder wirken aufgrund ihrer Einfachheit und Klarheit puristisch und faszinierend. Die Philosophie der Künstlerin lässt sich auch mit einem Zitat Renger-Patzschs beschreiben: "Selbst ganz bekannte Dinge geben im Ausschnitt gesehen vollkommen neue Perspektiven“. Dieses Credo umzusetzen, ist ihr mit „Fragilitas“ mehr als treffend geglückt.

Günter Weiler, Bildender Künstler, Waldbronn  – Auszug aus der Rezension „Fragilitas“ © Juni 2014



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